EU-Gasnotfallplan wird zur „Mission Impossible“

Die EU-Kommission fordert eine Reduzierung des Gasbedarfs um 15 Prozent in den kommenden Monaten: Zum einen muss dies freiwillig erreicht werden, aber wenn ein akuter Mangel festgestellt wird, soll die Kommission dieses Ziel auch im Notfall durchsetzen können. Noch gibt es keine Details darüber, was droht, wenn die Einigung nicht zustande kommt, aber die Tatsache, dass die Entscheidung in Brüsseler Hand liegt – ohne die Möglichkeit eines Vetos – hat in den vergangenen Tagen für scharfe Kritik gesorgt.

Portugal, Spanien, Zypern, Griechenland, Polen und nicht zuletzt Ungarn haben ihre Ablehnung bereits mit unterschiedlicher Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht und damit die unterschiedlichen Verhältnisse innerhalb der eigenen Grenzen aufgezeigt. Zypern zum Beispiel versteht nicht, warum es sich an den Plänen beteiligen soll, da die Insel ohnehin nicht direkt an das EU-Gasleitungsnetz angeschlossen ist und daher keinem anderen Land im Notfall helfen kann.

ORF.at/Roland Winkler Kommt es in einem Land zu akuter Gasknappheit, könnte die EU Länder zum Sparen zwingen

Auch Griechenland zeigte sich skeptisch: Eine Reduzierung des Gasverbrauchs bedeute nicht automatisch, dass „mehr Gas nach Deutschland kommt.

Iberische Front gegen Gassparpläne

Auch auf der Iberischen Halbinsel gibt es besonders viele Widerstände, und auch hier gilt zumindest hinter verschlossenen Türen vor allem Deutschland als Problem. Die spanische Ministerin für ökologischen Wandel, Teresa Ribera, sagte laut der Financial Times (“FT”): “Im Gegensatz zu anderen Ländern haben die Spanier in Bezug auf Energie nicht über unsere Verhältnisse gelebt.”

Portugal ist über das geplante Verfahren besonders verärgert: “Wir können kein unverhältnismäßiges Opfer akzeptieren, zu dem wir nicht einmal um eine vorherige Stellungnahme gebeten wurden”, sagte Portugals Energieminister Joao Galamba laut der Zeitung.

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Kraftstoffkrise aufgrund von Hitze und Dürre

Spanien und Portugal sind nicht auf Gas aus der russischen Pipeline angewiesen und beziehen große Teile entweder als Flüssiggas oder aus Nordafrika. Die anhaltende Dürre im Westen ließ die Stromerzeugung aus Wasser jedoch stark zurückgehen. Stattdessen konzentrierten sich beide Länder auf die bedarfsgerechte Stromerzeugung aus Gas. “Wir verbrauchen Gas aus absoluter Notwendigkeit”, sagte Galamba kürzlich.

Wie andere Länder, die nicht oder kaum auf russisches Gas angewiesen sind, von den Plänen stehen, ist noch unklar. Frankreich spielt hier sicherlich die größte Rolle: Es wurde nur offiziell gesagt, dass es noch keine Position bezogen hat. Energieministerin Agnes Pannier-Runacher sagte auf jeden Fall, dass Maßnahmen „im Voraus koordiniert werden müssen, bevor Ziele festgelegt werden, die für alle gleich sind“.

Unentschlossene Länder könnten auf Kritik springen

Laut “Politico” liegt nun ein Schreiben jener Länder im Raum, die mit den Vorgaben aus Brüssel nicht einverstanden sind. Neben den bereits genannten könnten auch Italien, Malta und die Slowakei beitreten – das Blatt verweist auf die spanischen Angaben. Ziel ist es, die angestrebten Sparziele auf einem anderen Weg zu erreichen.

Das Energieministertreffen in der kommenden Woche hätte grünes Licht für das Projekt geben sollen – und damit hätten die festgelegten Ziele am 1. August in Kraft treten sollen. Aber die Pläne der Kommission brauchen eine klare Zustimmung, sie müssen von einer qualifizierten Mehrheit angenommen werden, also von 15 Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren.

Reuters/Nacho Doce Nicht alle Länder sind auf russisches Gas aus Pipelines angewiesen, auch LPG spielt eine Rolle

Südeuropa vs. Deutschland

Selbst wenn also Frankreich zustimmt, könnte Italien die Pläne entgleisen lassen. Anders als beim vorangegangenen Streit in der EU sind es nun die Randstaaten der Union, die nicht auf russisches Gas angewiesen sind und nicht bereit sind, für Länder wie Deutschland Kompromisse einzugehen. Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck sagte am Donnerstag, Europa müsse Energie sparen, und das bedeute, dass Länder, die nicht von Russlands Gasbeschränkungen betroffen seien, auch anderen Ländern helfen müssten. Auch Österreich steht hinter den EU-Plänen: Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sah einen wichtigen Schritt und betonte Solidarität.

Laut “Politico” hat sich bereits ein Diplomat angesichts sehr unterschiedlicher Meinungen zu “Mission Impossible” geäußert, selbst “Tom Cruise konnte die Pläne nicht durchführen”. Eine Ablehnung würde den Notfallplan für EU-Gäste wieder auf den Tisch der Kommission bringen, sodass eine schnelle Lösung wahrscheinlich in weiter Ferne liegen würde.

Ungarn auf seine Weise

All dies geschieht, während Ungarn noch unterwegs ist. Das Land hat in der vergangenen Woche den Notstand ausgerufen und angekündigt, ab August keine Gas- und andere Energieträger mehr in andere EU-Staaten zu liefern. Bei einem Überraschungsbesuch in Moskau am Mittwoch forderte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto mehr Gas. Der Kreml wolle den Antrag „sofort“ prüfen. Das angespannte Verhältnis zur EU wird Budapest wahrscheinlich nur noch verschlimmern.

Die Frage ist, welche möglichen Alternativen zum EU-Plan möglicherweise schneller vereinbart werden könnten. Größter Kritikpunkt der Länder ist zweifellos die Macht Brüssels im Ernstfall. Das Ziel, 45 Milliarden Kubikmeter Erdgas einzusparen – die Menge, die bei einer vollständigen Abschaltung des russischen Gases fehlen würde – könnte laut mehreren Quellen in den letzten Tagen auch ohne Energiekonzentration in Brüssel erreicht werden.

Debatte

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Mangott: Die Gasdebatte nützt Putin

Russland-Experte Gerhard Mangott sagte jedenfalls, die aktuelle Debatte spiele Russlands Präsident Wladimir Putin in die Hände. Die Möglichkeit eines Zwangs durch die EU könne zu gesellschaftlichen und politischen Spaltungen führen: „Wenn Menschen ihre Wohnungen nicht mehr wie gewohnt heizen können oder ihre Jobs verlieren, weil die Industrie nicht mehr genug Gas hat, entsteht eine politisch gefährliche Situation“, sagt Mangott Gespräch. mit der APA.

Dies könnte in vielen EU-Ländern zu Protesten führen und die politische Stabilität untergraben. Genau das will der russische Präsident. Daher empfiehlt der Politikwissenschaftler, mit diesen Sparmaßnahmen vorsichtig zu sein.

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