Gasmangel im Winter: Wegen drohender Stromkrise: „Wir müssen Verzicht lernen“

Aktualisiert am 16. August 2022, 06:39 Uhr

Gasmangel im Winter: Wegen drohender Stromkrise: „Wir müssen Verzicht lernen“

Viele Menschen rechnen nicht damit, im Winter frieren zu müssen. So oder so sollten die Schweizer lernen, darauf zu verzichten, sagt der Soziologe Ueli Mäder.

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„Dann ziehe ich einen wärmeren Pullover an“: Viele Schweizer rechnen nicht mit einer Energieknappheit. Und wenn das der Fall wäre, wäre eine kältere Wohnung keine große Sache. Eine 20-minütige Straßenumfrage zeigt, dass es eher wie eine kalte Dusche ist.

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Doch entgegen dem Optimismus der Bevölkerung: Der Bundesrat rechnet damit, dass Gas und Strom im Winter knapp werden. Das sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga Ende Juni gegenüber den Medien. Aber private Haushalte dürften nicht darunter leiden, sagte er. Die Wirtschaft muss einen Schritt zurücktreten.

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Stefan Wolf von der deutschen Metallindustrie sieht das anders: In Büros sollte im Notfall die Heizung runtergedreht werden, sagt er.

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  • Die Bundesregierung rechnet im kommenden Winter mit einer Gasknappheit. Auch Strom könnte knapp werden.

  • Viele Menschen glauben jedoch nicht vollständig daran. Laut einer nicht repräsentativen 20-Minuten-Umfrage geht die Mehrheit davon aus, dass wir im Winter nicht frieren sollten.

  • Die Schweizer seien von Krisen verschont geblieben und hätten deshalb das Gefühl, dass es immer so weitergehe, sagt der Soziologe Ueli Mäder. Aber das stimmt nicht, wir müssen unser Konsumverhalten ändern.

Der Strom könnte ausfallen. Energieministerin Simonetta Sommaruga hat schon vor Wochen gesagt, dass der Bundesrat für den Winter mit einer Gasknappheit rechnet. Auch Stromengpässe sind nicht auszuschließen.

Zunächst galt noch der Grundsatz, dass private Haushalte nur das Letzte sparen sollten, Gewerbe und Industrie vor allem die Knappheit zu spüren bekommen würden. “Rolltreppen und Leuchtreklamen” würden zuerst erlöschen, sagte Sommaruga. Doch das wird immer mehr in Frage gestellt. Stefan Wolf, Vertreter der deutschen Metallindustrie, fordert, dass Gas im Notfall zugunsten der Industrie umverteilt und Büros weniger geheizt werden.

Die Leute erwarten keine Engpässe

Eine nicht repräsentative 20-Minuten-Umfrage zeigt, dass viele Menschen nicht damit rechnen, dass wir im Winter tatsächlich frieren, manchmal nicht kochen können oder das Licht nicht mehr brennt. Mehr als die Hälfte der 12.000 Teilnehmer halten es für übertrieben und vertrauen darauf, dass die Behörden das Problem in den Griff bekommen.

Ueli Mäder, Soziologe und emeritierter Professor der Universität Basel, ist von diesem Befund nicht überrascht. Von Krisen und Engpässen seien die Schweizer bisher weitgehend verschont geblieben, und deshalb habe man das Gefühl, dass es immer so weitergehe, sagt er. „Wir sind wie eine privilegierte Insel. Aber es wird nicht immer so weitergehen, es muss sich etwas ändern.“ Wir, also die Bevölkerung der westlichen Industrienationen, sollten uns darauf einstellen, auf Verzicht zu verzichten, bescheidener zu leben und weniger Ressourcen zu verbrauchen überschreiten und leben, als ob die Ressourcen unendlich wären“.

Deshalb könne ein Blackout im Winter der Beginn eines neuen Lebensgefühls sein, sagt Mäder. „Dann könnten wir erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben. Dass es auch mit weniger Konsum und Kommerz geht, vielleicht sogar besser.“ Beschönigen wolle er die Situation aber nicht: “Mir tun die sozial Benachteiligten leid, die eng wohnen, wenig verdienen und heute bis unters Dach müssen.”

Außerdem wird es Menschen geben, die es kaum aushalten, wenn es im Winter nur 15 Grad Celsius in ihren vier Wänden sind. „Das sind zum Teil Menschen, die schon intolerant sind, wenn der Zug etwas Verspätung hat oder wenn ein bestimmtes Produkt nicht im Regal steht.“ Viele Menschen hingegen könnten Stromknappheit gut verkraften und sogar zum Anlass nehmen, den eigenen Lebensstil grundlegend zu ändern, sagt Mäder.

Die Solidarität könnte abnehmen

Joel Berger, Soziologe an der Universität Bern, hält die Schweizer nicht für besonders krisenresistent. Grund ist der Individualismus, der in den westlichen Industrienationen besonders ausgeprägt ist und auch seine guten Seiten hat. Die Freiheit des Einzelnen ist groß. Noch geringer ist die Bereitschaft, Unannehmlichkeiten für gemeinsame Ziele in Kauf zu nehmen.

Berger rechnet damit, dass auch die Solidarität mit der Ukraine schwinden könnte. “Die Forderungen der Rechten nach Aufhebung der Sanktionen gegen Russland könnten mehr Unterstützung finden, wenn die Menschen tatsächlich zu Hause frieren oder vorübergehend die Lichter ausgehen.”

Eine kältere Wohnung ist in Ordnung, duschen Sie nicht kalt

Eine 20-minütige Straßenumfrage zeigt, dass kühlere Temperaturen zu Hause für manche kein großes Problem darstellen würden. „Das würde mich nicht wundern. Dann ziehst du dich einfach etwas wärmer an“, sagt Kommunikationsspezialistin Anna. Und Rentenberater Marco: „Ich schlafe auch bei offenem Fenster und habe nur eine dünne Decke zum Schlafen.“ Was die Temperatur betrifft, muss ich sagen, dass es kein Problem wäre.”

Mit einer kalten Dusche hingegen hätten die Befragten mehr Probleme. „Das wäre schwieriger“, sagt Marco.

Die Bundesregierung rät zu einer Barreserve

Da bei einem Stromausfall auch Bancomaten und elektronische Zahlungssysteme mit Karte oder TWINT betroffen sind, rät das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) zur Bildung einer «Mindestbargeldreserve in Noten klein». Das Amt empfiehlt außerdem, Lebensmittel und andere Konsumgüter etwa eine Woche lang zu Hause verfügbar zu haben. Denn wenn das Verkehrssystem wegen blockierter Transitwege ausfällt, könnten kleinere Städte in kürzester Zeit von der Versorgung abgeschnitten sein. Diese Störung dauert nicht Monate, sondern kann mehrere Tage andauern. (blau)

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