Lindners Hochzeit kostet eine Abstimmung: Für die Mehrheit von Ferda Atama muss die Ampel zittern

An diesem Donnerstag wählt der Bundestag einen neuen Antidiskriminierungsbeauftragten. Umstritten ist die von den Grünen vorgeschlagene Kandidatin Ferda Ataman. Coronas Sommerwelle könnte das Abstimmungsergebnis schließen.

Am Donnerstagnachmittag wird es spannend im Bundestag, auch wenn der Tagesordnungspunkt unspektakulär klingt. Für die Wahl der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung sind fünf Minuten angesetzt, eine Debatte ist nicht vorgesehen. Sie existierten bereits außerhalb des Bundestages, in den Medien und in den sozialen Medien.

Denn die Kandidatin für den Posten, die Journalistin Ferda Ataman, ist das, was man einfach Kontroverse nennt. Je vehementer die Beiträge zu der Frage, ob die 43-Jährige ein Schnäppchen macht oder nicht, wo konservative und fortschrittliche Positionen keine Kompromisse finden, verläuft die Gratwanderung zwischen Kritik und Unterstützung für ihre Karriere.

2018 wurde Ferda Ataman als Sprecherin des Netzwerks neuer deutscher Organisationen zum Integrationsgipfel ins Bundeskanzleramt eingeladen.

(Foto: Picture Alliance / AA)

Die querschnittliche Zusammensetzung der Ampel sorgt dafür, dass Ataman auch innerhalb der Koalition umstritten ist. SPD und Grüne unterstützen sie weitgehend uneingeschränkt, doch die FDP hat es nicht so leicht, zumal die ihnen traditionell nahestehenden Medien seit Wochen gegen Ataman trommeln. Die Grünen, deren Familienministerin Lisa Paus Ataman vorschlug, erinnerten vorsorglich daran, dass das Kabinett dem Personal einstimmig zugestimmt habe. Die Zustimmung von Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner liegt bereits vor.

Die Grünen erwarten die Mehrheit

„Die FDP ist meines Wissens auch im Bundeskabinett vertreten“, sagte die Grünen-Landtagssekretärin Irene Mihalic am Mittwoch. “Ich weiß nicht, worüber er lustig sein soll.” Die Grünen sind jedenfalls “sehr optimistisch”, dass Ataman die nötige Mehrheit bekommt.

Der Streit ist auch deshalb so ampelempfindlich, weil seine inhaltliche Zustimmung nicht immer so stabil ist wie seine rechnerische Mehrheit. Im Bundestag gab es bekanntlich keine Mehrheit für die Impfpflicht, obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz dort gekämpft hatte – und obwohl Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert wurde, bald zu einem Nato-Gipfel zurückzukehren, um an der Abstimmung teilzunehmen.

Ursprünglich hätte der Bundestag im Juni über Ataman entscheiden sollen, doch die Wahlen wurden auf Druck der Liberalen auf die letzte Sitzungswoche vor den Sommerferien verschoben. Am 21. Juni besuchte Ataman dann die FDP-Bundestagsfraktion. Eine Sprecherin der Gruppe sagte später, es sei „ein offener und konstruktiver Austausch“ gewesen. Bei der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag wurde dieses Treffen intern noch einmal diskutiert. Aus FDP-Kreisen gab es kritische Äußerungen, insgesamt war die Stimmung aber nicht so, dass eine Absage wahrscheinlich wäre.

Auf Sylt gibt es eine Stimme

Allerdings kann sich die Ampel maximal 47 Dissidenten leisten, denn Ataman braucht die sogenannte Mehrheitskanzlerschaft, also mindestens 369 Stimmen. Da die Corona-Sommerwelle auch den Bundestag erreicht hat, könnte es kompliziert werden; Nach Informationen des „Tagesspiegels“ dürften am Donnerstag allein in der Fraktion der SPD mehr als zehn Abgeordnete krankheitsbedingt fehlen. Zwei FDP-Abgeordnete, Linda Teuteberg und Thomas Sattelberger, haben sich bereits entschieden, Ataman nicht zu wählen. Und dann ist da noch Lindners Hochzeit mit TV-Journalistin Franca Lehfeldt: Gefeiert wird erst nach der kirchlichen Trauung am Samstag, am Donnerstag werden die beiden aber offiziell getraut, Lindner wird also auf Sylt eine weitere Stimme geben, die Ataman fehlt. .

Der öffentliche Streit um Ataman hat längst die Züge eines Krieges zwischen Identität und politischer Kultur angenommen. Kritiker werfen ihm unter anderem vor, die Deutschen als “Kartoffeln” zu beschimpfen. Tatsächlich hatte er in seiner Kolumne für den “Spiegel” geschrieben, “der Knolle” sei fälschlicherweise “ein diskursiver Diskriminierungsverdacht verdächtig”. Seine These lautete, die Aufregung für die Kartoffel sei „für den inneren Widerstand gegen den Umgang mit sich selbst und den eigenen Privilegien“.

Stelle seit vier Jahren vakant

Die Liste der weiteren Vorwürfe umfasst, dass Ataman den ehemaligen Innenminister Horst Seehofer der Politik von „Blut und Boden“ nähergebracht habe und dass er ein Aktivist und damit kein neutraler Ansprechpartner gewesen sei. Ihm wird auch vorgeworfen, Tausende älterer Tweets von seinem Twitter-Account gelöscht zu haben, um Kontroversen über frühere Aussagen zu vermeiden. Ataman sagte, er habe die Tweets aus Gründen der Neutralität gelöscht. Befürworter ihres Falls haben daran gearbeitet, die tatsächliche Abschrift dieser Aussage online verfügbar zu machen.

Erstmals hat der Bundestag den Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt. Bisher wird das Amt von der Bundesfamilienministerin im Einvernehmen mit dem Kabinett wahrgenommen. Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass es Probleme bei der Beschäftigung gibt: 2018 musste Nancy Böhning, bis dahin Bundesgeschäftsführerin der SPD, den Posten übernehmen. Nachdem ein Konkurrent geklagt hatte, blieb die Stelle unbesetzt. Seitdem wird die Antidiskriminierungsstelle interimistisch geführt.

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