Stand: 25.06.2022 17:09
Die Linkspartei wird künftig von Martin Schirdewan und Janine Wissler geführt. Die Europapolitikerin, 46, erhielt beim Bundesparteitag in Erfurt 61,3 Prozent der Stimmen, die Hesse, 41, kam bei ihrer Wiederwahl auf 57 Prozent.
Martin Schirdewan und Janine Wissler sind die neuen Vorsitzenden der Linkspartei. Auf dem Bundesparteitag in Erfurt erhielt der Europaabgeordnete Martin Schirdewan 61,3 Prozent der Stimmen. Sieger wurde der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann, der mit 31 Prozent der Stimmen Zweiter wurde. Aufgrund technischer Probleme hatte sich die Abstimmung lange verzögert.
Parteichef Wissler war zuvor im Amt bestätigt worden. Nach einer Reihe von Wahlniederlagen und einem internen Grabenkrieg war es umstritten. Auch ein Sexismus-Skandal hatte ihm viel Kritik eingebracht. Im ersten Wahlgang setzten sich jedoch zwei weitere Kandidaten anstelle der Doppelspitze für Frauen durch. Er erhielt etwa 57,5 % der Stimmen. Wissler und Schirdewan halten sich für echte Politiker, die gut miteinander auskommen.
Wissler überzeugt die Delegierten
Offenbar konnte Wissler mit einer kämpferischen Rede zu Beginn des Parteitags viele Delegierte überzeugen, in der er die Fehler einräumte und sich für eine Parteierneuerung einsetzte. Wissler steht erst seit Februar 2021 ganz oben links. Seine Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow trat im April zurück.
Für den zweiten Posten an der Parteispitze kandidieren mehrere Kandidaten für den Parteitag. Die aussichtsreichsten Kandidaten sind der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann und der Europapolitiker Martin Schirdewan. Neben dem Führungsduett muss der gesamte Vorstand neu gewählt werden, der verkleinert wurde. Im Vorstand stehen rund 100 Kandidaten, die für den Parteitag kandidieren können, für den Parteivorsitz gab es nur zehn Kandidaten. Die personellen Veränderungen sollen der Linken helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Streit um Haltung gegenüber Russland
Bei ihrem Treffen erörterten die Delegierten auch die Position zu Russland. Russlands Angriffskrieg wird in einem Hauptantrag vom Exekutivrat verurteilt, doch die Partei lehnt die Waffenübergabe an Kiew ab. Stattdessen sollen „nichtmilitärische Optionen“ ausgebaut werden, heißt es in dem Dokument, dessen Verabschiedung aus Zeitgründen verschoben wurde. Zudem wird Russland wegen des Ukraine-Krieges “imperialistische Politik” vorgeworfen.
Das ist in der Partei allerdings sehr umstritten: Zu Beginn der Beratungen war ein Änderungsantrag der Fraktion um die Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gescheitert. Sie sieht den Westen als Komplizen im Krieg. Der gescheiterte Änderungsantrag sah unter anderem die Unterdrückung der Verabschiedung des Hauptantrags vor, in dem Russland “imperialistische Politik” vorgeworfen wurde.
Die Vorsitzende der amtierenden Bundestagsfraktion, Amira Mohamed Ali, warf der Bundesregierung in ihrer Rede vor, mit Waffenlieferungen zu riskieren, dass Russland Deutschland als Kriegspartei betrachtet. Es muss das Ziel allen Handelns sein, dass sich der Krieg nicht ausbreitet. “Aber so handelt die Bundesregierung nicht.”
Christopher Jähnert, SWR derzeit Erfurt, vom Parteitag der Partei Die Linke
tagesschau24 16:00 Uhr, 25.6.2022
Anwendung der Klimaneutralität
In einem bereits genehmigten Antrag setzt sich die Linke dafür ein, Deutschland bis 2035 klimaneutral zu machen, zehn Jahre früher als von der Bundesregierung vorgesehen. Für die Energiewende schlägt die Partei ein zusätzliches 20-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm vor.
Gysi kritisiert seine eigene Partei scharf
Der frühere Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi forderte auf dem Parteitag einen Neustart, damit die Linke nicht in die Bedeutungslosigkeit verfällt. Die Krise rührt auch daher, dass nicht mehr klar ist, was die Mehrheits- und die Minderheitsmeinung ist. Er sprach von Parteimitgliedern, die sich gegenseitig denunzierten: “Es ist unerträglich.” Der 74-Jährige rief den Delegierten zu: “Hört auf mit dem ganzen Scheiß aus unserer Partei.”
Der Partei ist es wichtig, sich für die Chancengleichheit von Kindern, den Klimaschutz, die Interessen der Arbeitnehmer und die Gleichstellung von Frauen und Männern einzusetzen. Das sei wichtiger als Anfragen nach Genderstars, sagte Gysi, die dafür auch Buh-Rufe bekommen habe. “Es geht nicht darum, die Rechtschreibung zu ändern, es geht darum, die Umstände zu ändern.”