Russland-Sanktionsdebatte Merz sieht in der CDU keinen Ost-West-Bruch

Ab: 24.07.2022 20:03

Mit Putin verhandeln und den Krieg in der Ukraine „einfrieren“: Mit dieser Vision steht Sachsens Ministerpräsident Kretschmer in der CDU ziemlich allein da. Das machte Parteichef Merz deutlich. Er betonte, dass es in der CDU kein Ost-West-Gefälle gebe.

CDU-Chef Friedrich Merz hat sich klar von den Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zur Russlandpolitik distanziert. Kretschmers Meinung sei „nicht die Meinung der CDU“, sagte Merz im ZDF-„Sommerinterview“, das am Abend ausgestrahlt wird. Dass es innerhalb der CDU ein Ost-West-Gefälle in der Positionierung gegenüber Russland gebe, wies er zurück.

Kretschmer ist laut Merz nicht der einzige Ministerpräsident im Osten. “Er ist nicht der einzige, und alle anderen ostdeutschen Ministerpräsidenten sind anderer Meinung, ebenso wie die CDU.” Die CDU ist derzeit Ministerpräsident zweier ostdeutscher Bundesländer: Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt und Kretschmer in Sachsen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland im Osten.

Überrascht vom Begriff “Einfrieren”

Kretschmer sprach am Dienstag über die Sanktionen gegen Russland. Er verwies auf die notwendigen Rohstofflieferungen aus Russland und forderte einen gemeinsamen Versuch, den russischen Machthaber Wladimir Putin zu “beeinflussen”. Deutschland sollte sich daher dafür einsetzen, dass dieser Krieg „eingefroren“ wird.

Vor allem die Forderung nach „Einfrieren“ sorgte für Verwunderung und Kritik. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte: “Ich weiß nicht, was das bedeutet.” Zu den Aufrufen zu Verhandlungen mit Putin sagte der Grünen-Politiker, Russland habe es “nicht mit einer rational agierenden Regierung zu tun”. Putin beschloss, „einen Krieg zu beginnen, der gegen das Völkerrecht verstößt“. “Ich will jetzt nicht reden, ich will nur Leid und Krieg in die Ukraine bringen.”

„Grinsen in Putins Propagandamühle“

In den vergangenen Tagen hatte es auch von der CDU scharfe Kritik an Kretschmer gegeben. Unions-Fraktionschef Johann Wadephul sagte der Süddeutschen Zeitung, Putin habe “keine Vermittlung gewollt und will nicht. Das ist offensichtlich”. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warf Kretschmer vor, “eine Granate in Putins Propagandamühle geworfen zu haben”. Ein Einfrieren des Krieges würde Russland nur nützen, weil es seine Streitkräfte neu organisieren und neue Handelspartner suchen könnte, sagte Kiesewetter dem Handelsblatt. Kretschmers Meinung sei „eine absolute Minderheitsmeinung in der Union, die einfach falsch ist, weil sie nur dem russischen Narrativ dient“.

Ähnlich, wenn auch etwas diplomatischer, äußerte sich CDU-Chef Merz im ZDF-Interview. In der Partei gebe es “natürlich Diskussionen zu diesem Thema”. Allerdings habe die Partei “eine sehr klare Sicht” auf die Angelegenheit und es gebe auch Vorstandsbeschlüsse zu dieser Angelegenheit. Merz schloss sich der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas an, als sie sagte: „Energie mag teuer sein, aber Freiheit ist unbezahlbar.“

Zustimmung von Linken, AfD und Wählern aus dem Osten

Am Rande des politischen Spektrums stieß Kretschmer auf Zustimmung. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sagte, russische Rohstoffe und vor allem relativ günstige russische Energie seien “Existenzbedingungen für eine wettbewerbsfähige deutsche Industrie”. In diesem Punkt hat Kretschmer Recht. Der “Wirtschaftskrieg” ruiniert Deutschland, schadet Putin kaum und endet nicht mit dem Tod in der Ukraine. Deshalb müssten “verhandelt und Kompromisse geschlossen werden”, sagte Wagenknecht.

AfD-Chef Tino Chrupalla erklärte, Kretschmer folge in dieser Frage der Linie der AfD: „Nur so kann er seine Partei bei der Landtagswahl 2024 mit uns koalitionsfähig machen.“ Chrupalla forderte auch, den Krieg in der Ukraine durch Diplomatie zu beenden. “Sonst wird das Sanktionsregime mit seinen katastrophalen Folgen für unseren Wohlstand nie enden.”

Mit seiner Aussage hätte Kretschmer den Wählern seines eigenen Bundeslandes und der Gefahr Rechnung tragen können, dass viele von ihnen die AfD im Jahr 2024 markieren könnten.

Denn zumindest bei den Bürgern gibt es durchaus ein Ost-West-Gefälle in der Positionierung gegenüber Russland, wie der aktuelle Trend der ARD Deutschland zeigt. Demnach befürworten fast zwei Drittel der Wahlberechtigten in den westdeutschen Bundesländern Sanktionen gegen Russland trotz möglicher Nachteile, in den ostdeutschen Bundesländern nur knapp 40 Prozent.

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