Für das Spital Einsiedeln SZ war die Entlassung der sieben Bewohner ein Knaller. Für die Betreibergesellschaft, die Ameos-Gruppe, war es wahrscheinlich keine völlige Überraschung. Die große Krankenhauskette sieht sich regelmäßig mit verärgerten Mitarbeitern und Personalstreiks konfrontiert, weil sich die Arbeitsbedingungen nach Übernahmen verschlechtert haben. Das ist zumindest die Behauptung der betroffenen Mitarbeiter.
Es ist auch nichts Neues, dass mehrere Mitarbeiter den Overall zusammenwerfen. Im Frühjahr eskalierte die Situation in der Ameos Klinik Mitte in Bremerhaven (D). Dort gaben die vier Gefäßchirurgen auf und wechselten zum Wettbewerb.
Defizitäre Krankenhäuser werden entsprechend gekürzt
Die Zürcher Ameos-Gruppe kauft seit 20 Jahren Spitäler in Deutschland und Österreich. Häufig waren öffentliche Unternehmen zuvor in finanziellen Schwierigkeiten. Auch das Spital Einsiedeln hatte 2019 vor der Übernahme durch die Ameos-Gruppe Verluste von CHF 6.7 Mio. gemacht. „Die Ameos-Gruppe sorgt für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Krankenhäusern und steht damit für eine starke regionale Gesundheitsversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz“, schreibt das Unternehmen auf Anfrage von Blick.
Nach dem Kauf wird gespart: In Schweizer Spitälern liegt das grösste Einsparpotenzial bei den Lohnkosten. Sie machen 70 Prozent der Kosten aus. So wurde beispielsweise nach der Übernahme von Ameos die Spitalkantine im Spital Einsiedeln auf Selbstbedienung umgestellt. Ein Teil des Speisesaalpersonals wurde entlassen.
Auch nach wiederholten Nachfragen von Blick will sich Ameos nicht zur Spar- und Personalpolitik äussern. Die kürzliche Entlassung der sieben Bewohner wird nicht im Detail besprochen.
Milliardenumsätze privater Krankenhausbetreiber
Das Konzept geht auf: Ameos ist seit der Gründung rasant gewachsen und beschäftigt nach eigenen Angaben mittlerweile 18.000 Mitarbeiter in mehr als 100 Einrichtungen an mehr als 50 Standorten. In der Schweiz führt die Gruppe neben dem Spital in Einsiedeln auch das Seeklinikum Brunnen im Kanton Schwyz und mehrere Gemeinschaftspraxen.
In der Schweiz bleibt Ameos einer der kleinen Fische: Größter im Teich der privaten Spitalbetreiber ist die private Spitalgruppe Hirslanden mit über 13’000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von knapp 2 Milliarden Franken.
Geschäftszahlen will Ameos nur ungern preisgeben. Der Umsatz liegt laut dem deutschen „Handelsblatt“ bei rund einer Milliarde pro Jahr. Für 2019 ist von elf Millionen Gewinnen die Rede. Im folgenden Jahr verlor Ameos zwei Millionen.
Allerdings sind die Gewinnzahlen nicht sehr aussagekräftig: Mit jeder neuen Übernahme des Krankenhauses steigen die Umsätze, gleichzeitig drückt der Kaufpreis auf den Gewinn. Ohne diesen Aufwand hätte der Konzern auch während der Pandemie Gewinne erzielen können. Ameos betont, dass alle erwirtschafteten Überschüsse in das Unternehmen reinvestiert werden.
Schlechte Note in Einsiedeln
Die Ameos-Gruppe stößt mit ihrem Geschäftsgebaren regelmäßig auf heftigen Widerstand der Belegschaft. In der psychiatrischen Klinik in Bad Salzuflen (D) streikten kürzlich Mitarbeiter für bessere Löhne. „Die Region Ameos West steht in regelmäßigem Kontakt mit den Arbeitnehmervertretungen des Ameos Klinikum Bad Salzuflen und der Gewerkschaft“, sagt ein Sprecher des Blick-Unternehmens.
Bereits im Herbst 2019 stritten sich Mitarbeiter von vier Krankenhäusern in Ostdeutschland mit der Ameos-Gruppe, nachdem diese nicht bereit war, deutlich reduzierte Löhne auszuhandeln. Doch die Ameos-Gruppe blieb hart: Sie ließ mehrere am Streik beteiligte Mitarbeiter auf der Straße zurück und drohte mit Massenentlassungen. Nach monatelangem Streik der Mitarbeiter gelang es schließlich, Teilerfolge zu erzielen. Diejenigen, die entlassen wurden, wurden wieder eingestellt und die Löhne leicht nach oben korrigiert.
Das von Ameos betriebene Spital in Einsiedeln bekommt schlechte Noten vom Personal – nicht nur von sieben Bewohnern, die kürzlich gemeinsam ihre Kündigung eingereicht haben. Die Unzufriedenheit der Anwohner spiegelte sich in einer jährlichen Umfrage des Schweizerischen Instituts für medizinische Weiterbildung im Jahr 2021 wider. Das Spital Einsiedeln schnitt mit einer Note von 3,5 miserabel ab – der Branchendurchschnitt liegt bei 5,0.
Allerdings: Am zweiten Standort von Ameos in der Schweiz in Brunnen SZ sieht es ganz anders aus. Die dortige Klinik erhielt die Note 5,9.
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