„Fake“-Wein erschüttert die Republik

„Man ahnte, dass etwas nicht stimmte – es gab immer wieder Gerüchte –, aber wir wussten nicht genau was“, erinnert sich der Winzer Eduard Magerl aus Fels am Wagram (Kreis Tulln) im Frühjahr 1985. Skandalös, wie es war. nur wenige Wochen später folgen, damals “davon keine Spur”.

Allerdings ist es für „normale“ Winzer von Jahr zu Jahr schwieriger geworden, Wein an das Restaurant zu verkaufen. “Die Weinhändler kümmerten sich um alles und boten zehn kostenlose Kisten Wein an, um Ihnen den Einstieg zu erleichtern.” Dies war für kleine Winzer nicht möglich. Auch der Literpreis war damals stark gefallen.

“Dumme” Studie.

Josef Pleil, ehemaliger Präsident des Österreichischen Weinbauverbandes, führt die wahren Wurzeln des Weinskandals bis in die frühen 1970er Jahre zurück. Damals, auf Druck von Weinhändlern und laut Pleil einer „dummen“ Studie, wonach der Weinkonsum in zehn Jahren von 35 auf 75 Liter pro Kopf steigen würde, durfte ihn jeder Winzer in der Grenzregion anbauen einer noch. 0,5 Hektar pro Unternehmen.

ORF Anfang der 1970er-Jahre wuchs die Rebfläche des Landes um ein Drittel, mit gravierenden Folgen.

Die Plantagen führten nach fünf Jahren zu einer Flächenausdehnung von etwa 15.000 Hektar mit entsprechender Überproduktion. „Es stellte sich heraus, dass dieses Zugeständnis der Regierung die falsche Politik war und ins Chaos führte, denn Anfang der 1980er-Jahre ging der Weinkonsum europaweit zurück, was zu einem enormen Weinüberschuss mit extremen Preisverfall führte“, sagt Pleil.

Der Betrug beginnt

In Deutschland gab es damals jedoch eine gute Nachfrage nach Süßweinen. Einige „geniale Spezialisten“ versuchten nun, dieses Bedürfnis nach Süßweinen zu befriedigen, indem sie aus einfachen, preiswerten Tafelweinen hochwertige Prädikatsweine durch Zusatz von Diethylenglykol vortäuschten und zu Tiefstpreisen anboten. „Anfangs hat das ganz gut funktioniert“, sagt Pleil.

1985: Wie aus Landwein Süßwein wurde

Und das so gut, dass Weinhändler den vielen nebenberuflichen Winzern große, sogar sehr große Mengen Wein abkauften. Warum es plötzlich eine so große Nachfrage gab, wurde nicht hinterfragt. „Eigentlich war es gut für uns. Wir hatten weniger Arbeit, aber wir haben mehr verdient“, sagt heute ein Winzer hinter verschlossenen Türen.

Anonymer Hinweisgeber

Ein unbekannter Mann mit deutschem Akzent lieferte erste Hinweise auf den Betrug. Am 21. Dezember 1984 erschien er in der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Chemie in Wien, stellte eine Flasche mit einer Flüssigkeit auf den Tisch und sagte: „Dieses Produkt dient der Weinverfälschung“, sagt Pleil.

ORF/Seiser Lange konnten chemische Analysen die Fälschungen nicht identifizieren

Ein Chemiker untersuchte die weiße, sirupartige Flüssigkeit wie Wasser. Nach einer Woche war die chemische Zusammensetzung des Medikaments klar: Es war Diethylenglykol. Doch bis die Ermittler genügend Beweise hatten, um an die Öffentlichkeit zu gehen, mussten noch einige Monate vergehen. In dieser Zeit machte sich die Eidgenössische Kellereiinspektion ans Werk und überprüfte nun gezielt jene Weingüter, die schon lange der Weinverfälschung verdächtigt wurden.

Das Ministerium schlägt Alarm

Am 23. April 1985 schlug das Landwirtschaftsministerium Alarm und warnte davor, dass Weine aus Niederösterreich und dem Burgenland mit Diethylenglykol versetzt worden seien. Mit der Chemikalie, die üblicherweise in Frostschutzmitteln enthalten ist, sollte Fasswein süßer und voller schmecken. Lokale Winzer hatten Weinen seit 1978 mindestens 340 Tonnen Glykol zugesetzt, hauptsächlich um künstliche „süße Weine“ herzustellen.

1985: Die Weinpantschers werden ausgestellt

Ein Großteil der gemeldeten Weine stammte aus der Region Wagram, insbesondere aus Fels, wo einer der größten Weinhändler Österreichs beteiligt war. Beraten wurden die Betrüger von einem Apotheker, der in Grafenwörth (Kreis Tulln) ein Labor unterhielt. Der Glykolskandal erschütterte die gesamte heimische Weinbranche, obwohl kleinere Winzer nicht involviert waren, erinnert sich Pleil.

Auch Winzer Eduard Magerl bekam die Folgen sofort zu spüren. Damals lieferte er zweimal wöchentlich nach Wien. Doch plötzlich brachen die Verkäufe ein. Gastronomie-Kunden redeten nur über die „Weinpantscher“ und „was wir da rumgebastelt haben“.

“Hätte mir keinen besseren wünschen können”

In Fels am Wagram, das plötzlich in der Öffentlichkeit stand, seien die Vorwürfe “überhaupt nicht zu glauben”, sagt Magerl. Schließlich war einer der betroffenen Weinhändler auch Bürgermeister der Stadt. “Es könnte keinen besseren Politiker geben, mit mehr als 100 Mitarbeitern, einem großartigen Geschäftsmann und sehr beliebt.” Einer der Gründe dafür war wohl, dass der Betrieb des Ortsvorstehers bei fast allen Winzern des Ortes Trauben kaufte und dafür gutes Geld erhielt.

ORF Das Labor der beratenden Apotheke in Grafenwörth

Aber was danach mit dem Wein passierte – wie er verfälscht wurde – das habe niemand mitbekommen, sagt Magerl, der 20 Jahre lang auch Präsident des Winzerverbandes war. Seine Frau war damals sogar bis kurz vor dem Skandal die Königin-Önologin der Region und förderte die Weine in Österreich. Im Nachhinein könne man über die Brüder “nichts falsch” sagen, “sie haben nichts falsch gemacht, aber den Staat getäuscht, sehr energisch.”

Künstlicher Wein ohne Trauben

„Es hat lange gedauert, sie zu erfinden, weil die Untersuchungsmethoden nicht sehr ausgefeilt waren“, sagt Pleil. Es ging sogar so weit, dass Weinhändler einen echten künstlichen Wein herstellten, der überhaupt keine Trauben enthielt. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Chemie entwickelte daraufhin ein Verfahren mit einer Nachweisgrenze von 100 mg Diethylenglykol pro Liter Wein.

Österreich

100 Jahre Niederösterreich

Diese Nachweisgrenze geisterte durch die Weinszene und hatte fatale Folgen, denn Ehebrecher steigerten den Skandal später um mehr als das Zehnfache. Um den Glykolgehalt unter die Labornachweisgrenze von 100 mg pro Liter Wein zu drücken, wurde er 1:10 mit unverfälschtem Wein gemischt. Das erklärt die hohen Schadenszahlen von Hunderten Millionen Schilling.

Einsturz von Kläranlagen

Bereits im Juli 1985 hatten Chemiker ein Testverfahren entwickelt, das Mengen bis hinunter zu fünf Milligramm zuverlässig nachweisen konnte. Aus Panik schütteten einige Fälscher den Glykolwein einfach in den Abfluss, nur um nicht erwischt zu werden, was die Kläranlagen zum Einsturz brachte. Aber die Show war vorbei und es gab kein Entrinnen.

ÖVP

Von da an erholten sich die Betrüger. Die 55 niederösterreichischen und zwölf burgenländischen Kriminalbeamten, die zur Aufklärung des Weinskandals im Einsatz waren, meldeten nach mehr als 850 Hausdurchsuchungen (davon 60 in Chemiebetrieben) mehr als 1.000 Verdächtige bei der Staatsanwaltschaft.

Beamte holten einen Winzer ein, weil er zuvor große Mengen Frostschutzmittel steuerlich geltend machen wollte, obwohl er nur einen kleinen Traktor hatte. Mehr als 26 Millionen Liter gepanschten oder gepanschten Weins wurden beschlagnahmt.

“Deutscher starb an vergiftetem Wein!”

Der Weinskandal schlug in Österreich ein wie eine Bombe. Die „Kronen Zeitung“ titelte am 20. Juli 1985: „Panscher-Skandal macht sich breit: Tödlicher Eiswein in Graz!“. Der „Kurier“ vom 24. Juli fügte hinzu: „Deutscher starb an Weinvergiftung!“, was sich als Irrtum herausstellte. Ab dem 26. Juli erschienen in Zeitungen Namenslisten von Erzeugern und Vertreibern gesundheitsschädlicher Weine mit der Überschrift “Warnung vor diesen Weinen jetzt herausgegeben!”

Lieferant

Der Skandal erreichte internationale Ausmaße, als der vergiftete Wein im deutschen Fernsehen erwähnt wurde und Kaufhausregale vor laufender Kamera von österreichischem Wein geräumt wurden. Die Weinexporte brachen über Nacht um 95 Prozent ein. Die New York Times hatte den österreichischen Weinskandal auf der Titelseite. Auch die australischen Weinexporte nach Asien brachen kurzzeitig ein, weil Asiaten Österreich mit Australien verwechselten.

Der Weinskandal war dann wochenlang ein großes Thema in den österreichischen und deutschen Medien. Millionen Flaschen Wein mussten vom Markt genommen werden, ermittelte die Staatsanwaltschaft. „Der gesamte Export von österreichischem Wein ist eingebrochen“, sagt Josef Pleil. Der einst angesehene österreichische Wein wurde sofort verboten und war im Ausland nur sehr schwer zu verkaufen.

Unschuldige Fehler

Das betraf nach und nach auch die Unternehmen. “Zahlreiche Großunternehmen haben ihren Markt verloren und sind bankrott gegangen, viele davon waren nicht in den Skandal verwickelt.” Dies betraf Winzerverbände und erfolgreiche Exportweingüter wie Lenz Moser. Aber auch viele kleinere Unternehmen verloren damals ihre wirtschaftliche Basis.

Lenz Moser Die Firma Lenz Moser musste aufgrund des Exportstopps Insolvenz anmelden…

Leave a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *