Wissenschaftler des John Innes Centre in Großbritannien haben mit der gentechnischen Technik Crispr/Cas9 Tomaten so modifiziert, dass sie die Früchte und Blätter mit Vitamin D anreichern. Die ersten Feldversuche beginnen im Juni. Wenn die Briten wie geplant die Regeln der neuen Gentechnik lockern, könnten Tomaten bald auf den Markt kommen. Kritiker der Gentechnik bezweifeln, dass sie den Menschen tatsächlich mit Vitamin D versorgen kann.
Tomaten enthalten von Natur aus sehr geringe Mengen an 7-Dehydrocholesterol. Der Stoff wird auch als Provitamin D3 bezeichnet, weil daraus unter UV-Licht Vitamin D3 entsteht. Bei der Untersuchung der Stoffwechselvorgänge von Tomaten entdeckten die Wissenschaftler, dass ein Enzym 7-Dehydrocholesterin in andere Pflanzenstoffe, die Esculeoside, umwandelt. Sie helfen der Tomate, Schädlinge und Krankheitserreger zu bekämpfen. Das Team des John Innes Center (JIC) unter der Leitung von Professor Cathie Martin hat nun mithilfe von Crispr/Cas9 das Gen, das dieses Enzym produziert, stillgelegt. Dadurch wurde 7-Dehydrocholesterin in den Blättern und Früchten der manipulierten Tomatenpflanzen angereichert, während der Gehalt an Sculeosiden deutlich abnahm.
Würde man so modifizierte Tomaten mit UV-Licht bestrahlen (was im Freien die Sonne tun muss), würde das 7-Dehydrocholesterin in der Frucht zu Vitamin D3. In einer in der Zeitschrift Nature Plants veröffentlichten Studie berechneten JIC-Forscher, dass mit einer Tomate genauso viel Vitamin D aufgenommen würde wie mit dem Verzehr von zwei Eiern oder 28 Gramm Thunfisch. Zudem könnte Vitamin D3 aus den Blättern zu Nahrungsergänzungsmitteln verarbeitet werden. Damit eignet sich die Tomate, um eine Vitamin-D-Mangelversorgung auszugleichen, von der laut Studie eine Milliarde Menschen betroffen sind. Andere eng verwandte Pflanzen, die den gleichen Stoffwechselweg teilen, wie Auberginen, Kartoffeln und Paprika, könnten mit dieser Methode ebenfalls dazu gebracht werden, Vitamin D anzureichern, heißt es in der JIC-Pressemitteilung. Gerade während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie wichtig ein guter Vitamin-D-Spiegel für die Gesundheit ist.
Die Geninaktivierung hatte nach den Erfahrungen der Studie im Gewächshaus keine negativen Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum, die Entwicklung und den Ertrag. Ob dies auch für das Feld gelten wird, bleibt abzuwarten. Das Münchener Testbiotech-Institut warnt davor, dass gentechnische Eingriffe in seinen Schutzmechanismus Tomaten anfälliger für Krankheiten und Schädlinge machen könnten. Auch andere Wechselwirkungen mit der Umwelt sollten untersucht werden. Bei Tomaten selbst muss geprüft werden, ob durch den Eingriff unbeabsichtigt Inhaltsstoffe verändert oder andere Stoffwechselwege verändert wurden. Abschließend weist Testbiotech darauf hin, dass die Konzentration von Vitamin D in Tomaten je nach Sorte und Umweltbedingungen stark variieren kann. In der Zeitschrift Nature sagen Wissenschaftler, dass mehr Forschung darüber erforderlich ist, wie stabil ein Vitamin ist, wenn eine Tomate gelagert oder verarbeitet wird. Wichtig ist auch zu klären, wie gut der menschliche Körper das Vitamin aus Tomaten aufnehmen kann. Es sei unmöglich, auf diese Weise zuverlässig zu dosieren, schreibt Testbiotech.
Um potenzielle Risiken für Gesundheit oder Umwelt frühzeitig zu erkennen, bittet das Institut darum, die Risiken dieser genomeditierten Pflanzen genau zu untersuchen. Liz O’Neill, CEO der Anti-GVO-Organisation GM Freeze, hält die neue Tomate für schlichtweg überflüssig: „Die Supermarktregale sind bereits voll mit hervorragenden Vitamin-D-Quellen – von fettem Fisch, Eiern und rotem Fleisch bis hin zu angereicherten Cerealien und einer Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln. „Das Hinzufügen einer „dunklen Tomate“ wird das Problem des Vitamin-D-Mangels nicht lösen, weil Unterernährung eine Folge von Armut und einem kaputten Ernährungssystem ist.“ Wir brauchen einen systemischen Wandel, keinen gentechnisch veränderten Ketchup“, sagte O’Neill . [lf/vef]