Konfrontation zwischen Baerbock und Cavusoglu bei Besuch in der Türkei

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag in Istanbul stritten sich die beiden verbal über die erwartete türkische Offensive in Nordsyrien, die Inhaftierung von Oppositionsführer Osman Kavala in der Türkei und den Inselstreit zwischen Griechenland und der Türkei.

Baerbock hatte zuvor Athen besucht und sich im Streit um griechische Inseln wie Rhodos, Kos und Lesbos im östlichen Mittelmeer klar auf die Seite Griechenlands gestellt. Die türkische Regierung stellt die Souveränität Athens über diese Inseln in Frage und fordert den Abzug aller griechischen Truppen. „Die griechischen Inseln sind griechisches Territorium, und niemand hat das Recht, das in Frage zu stellen“, sagte Baerbock nach Gesprächen mit seinem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias in Athen und wiederholte diese Position in Istanbul.

Deutschland unter Merkel noch „lösungsorientiert“

Cavusoglu sagte, Deutschland müsse in diesen Auseinandersetzungen lösungsorientiert sein, wie es unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Fall war. „Frau Merkel hat das getan. Um die Wahrheit zu sagen, Deutschland war in dieser Zeit ein ehrlicher Vermittler. Es war ausgewogen. Deutschlands Politik war ausgewogen“, sagte Cavusoglu. “Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber so war es. Und das haben wir respektiert.”

In letzter Zeit habe er gesehen, “dass das Gleichgewicht leider verloren geht”. Drittstaaten wie Deutschland “dürfen sich nicht auf Provokationen und Propaganda einlassen, insbesondere aus Griechenland und dem griechischen Teil Zyperns.”

Debatte über Syrien

Die beiden stritten sich auch wegen der Syrien-Frage. Baerbock warnte Cavusoglu vor einer neuen Offensive im Nachbarland. Ankara will dort gegen die kurdische YPG-Miliz kämpfen, die die Regierung als Terrororganisation einstuft. Die Türkei sei bekanntlich von Terror bedroht, und natürlich habe jeder das Recht auf Selbstverteidigung, sagte Baerbock.

Dieses Recht umfasste jedoch „weder Repressalien noch abstrakte Präventivschläge“. Durch einen neuen militärischen Konflikt würde sich das Leid der Syrer weiter verschärfen und neue Instabilitäten entstehen, die nur von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat (IS) ausgenutzt würden.

Cavusoglu akzeptierte dieses Argument nicht. „Erstens ist dies kein militärischer Konflikt, denn ein militärischer Konflikt findet zwischen Ländern und Armeen statt“, sagte er. Es ist vielmehr eine Operation gegen den Terror und der Kampf gegen den Terror.

Diskussionspunkt Kavala

Besonders verärgert reagierte Cavusoglu auf Baerbocks Kritik an der Inhaftierung des türkischen Kulturförderers Osman Kavala. Die Grünen-Politikerin betonte, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) respektiert werden müssten. „Dazu gehört für mich auch die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeordnete Freilassung von Osman Kavala“, sagte er.

Cavusoglu reagierte verärgert und beschuldigte Baerbock, Kavala auf die Tagesordnung gesetzt zu haben, es aber ignoriert zu haben, wenn andere Länder die Urteile des Gerichts nicht befolgten. Er warf Deutschland auch vor, Kavala gegen die Türkei einzusetzen und zu finanzieren. Kavala war im April im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, was international auf scharfe Kritik stieß. Kavala sitzt seit 2017 im Gefängnis.

Auch Griechenland kritisiert Deutschland

Baerbock hat sich bewusst dafür entschieden, seine Antrittsbesuche bei den beiden verfeindeten Nato-Partnern Türkei und Griechenland zu verbinden. „Wir brauchen Einheit, wir brauchen Dialog, wir brauchen besonnenes Handeln in diesen schwierigen Zeiten“, sagte er in Athen mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und seine Folgen. Streitigkeiten in den Reihen des Bündnisses sind genau das, was Russlands Präsident Wladimir Putin will.

Aber auch in Griechenland verlief der Besuch nicht ganz konfliktfrei. Der griechische Außenminister Dendias hat deutsche Rüstungsexporte und den Verkauf von U-Booten an die Türkei scharf kritisiert. „Bei diesen U-Booten besteht die große Gefahr, dass die Kräfteverhältnisse im Mittelmeer aus dem Gleichgewicht geraten“, sagte er.

Waffenlieferungsvertrag

Ein weiteres ungelöstes Thema zwischen den beiden Ländern bei dem Treffen waren erneut Griechenlands Forderungen nach Reparationen für die Zerstörungen, die die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg angerichtet hatten. „Ich möchte betonen, dass die Frage der Reparationen aus Deutschland für die griechische Regierung offen bleibt, aber in erster Linie für die griechische Gesellschaft“, sagte Dendias. Das Problem muss gelöst werden, es ist eine Grundsatzfrage.

Baerbock verwies dagegen auf die grundsätzliche deutsche Ablehnung dieser Forderungen. Berlin sieht das Thema rechtlich abgeschlossen und verweist auf das Zwei-plus-Vier-Abkommen zu den außenpolitischen Folgen der deutschen Wiedervereinigung ab 1990.

Beim geplanten Austausch von Ringen mit Griechenland zur Versorgung der Ukraine mit gepanzerten Mannschaftstransportern könnte es jedoch Fortschritte geben. „Ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg“, sagte Baerbock. Es geht um die Lieferung von rund 100 griechischen Schützenpanzern sowjetischer Bauart vom Typ BMP-1 an die Ukraine. Griechenland erhält Marder-Schützenpanzer aus Deutschland. Die griechische Seite will ihre Panzer aber erst abgeben, wenn der Ersatz aus Deutschland eingetroffen ist. (SDA)

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